Als Tobias heute mit dem Jeep am Leuchtturm eintrifft, erwartet ihn sein erster Notfall-Patient. Flüchtlinge tragen den Körper eines jungen Mannes über die Felsen herauf. Als Unfall-Notarzt ist unserem Projektleiter schnell klar, dass hier unmittelbare Lebensgefahr besteht: der Blutdruck des 22-jährigen ist so niedrig, dass kaum noch Puls zu messen ist. Außerdem ist der Mann unterkühlt. Im Jeep wird der entkräftete Mann nach einer Erstversorgung liegend nach Klio hinauf gebracht. Dort hat das Team bereits im Kafeneion auf dem Dorfplatz eine provisorische Praxis aufgebaut: ein Biertisch aus dem Baumarkt dient als Behandlungsliege. Im Beisein seiner Freundin erhält der junge Mann eine Infusion. Die Begleiterin schildert uns, was geschehen ist. Das Boot war bei der Abfahrt aus der Türkei so hoffnungslos überladen, dass mehrere Flüchtlinge, die bereits an Bord waren, wieder ins Wasser mussten, um an die Küste zurück zu schwimmen. Weil der junge Syrer aber seine Freundin nicht verlassen wollte (auch seine Schwester war auf dem Boot), hielt er sich während der gesamten, gut zweistündigen Überfahrt aussen an einem Seil fest und liess sich im Wasser mitziehen.
Tobias erklärt uns später, dass Sahid wohl nach wenigen hundert Metern gestorben wäre, wenn die anderen Flüchtlinge versucht hätten, ihn während des Fussmarsches aufrecht zu halten. Sein Herz hätte einfach aufgehört zu schlagen.
Wir sind betroffen und fragen uns, wieviele weitere Menschen wohl unerkannt in akuter Lebensgefahr bei „Proti Stassi“ ankommen? Auf jeden Fall werden wir im Team bei nächster Gelegenheit einen Auffrischungskurs in Erster Hilfe durchführen.